„Überversorgung ist einerseits eine Verschwendung von finanziellen Mitteln, die an anderer Stelle gebraucht werden könnten, um Unterversorgung abzuschaffen, andererseits kann sie sich auch negativ auf die Gesundheit der Menschen auswirken. Noch gefährlicher für die Patienten ist aber die Verweigerung notwendiger Untersuchungen und Therapien. Und sie schadet zusätzlich der Volkswirtschaft. Das birgt immer eine Gefahr für die Gesundheit sind Fehlversorgungen und fehlende Untersuchungs- und Behandlungsmöglichkeiten.“, stellt Roth heraus.
Die Bürgerversicherung löst im Gesundheitswesen kein Problem
Bernd Schneider, Gewerkschaftsratskollege von Roth und zugleich Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats der Continentale, stellt ergänzend dar: „Nach jedem Regierungswechsel wird ein Thema wieder neu auf die politische Bühne gehoben: die so genannte Gesundheitsreform. Dies ist einerseits Ausdruck davon, dass das deutsche Gesundheitswesen nicht mehr die Anforderungen erfüllt, die eine moderne Gesellschaft stellt. Andererseits ist die Tatsache, dass jede Reform wieder reformiert werden muss, Ergebnis davon, dass keine einzige dieser Reformen zum Kern der Probleme vorgedrungen ist.“
Notwendig sei vielmehr ein effizienterer Einsatz der Mittel und eine flächendeckende Verteilung auch über den ländlichen Bereich, der sich an den medizinischen Anforderungen der Menschen orientiert. Dazu gehöre auch die Einführung einer wirksamen Preiskontrolle, vor allem auf dem Arzneimittelmarkt.
Medikamente sind in Deutschland deutlich teurer als fast überall in der Welt. Wenn der Grund dafür die Forschungsausgaben wären, könnte das Medikament auch im Ausland nicht nur einen Bruchteil kosten. „Es ist die deutsche Gesetzgebung, die den Konzernen hier einen Extraprofit gestattet, auf Kosten der Kranken und der Krankenversicherungen.“, schildert Schneider.
Die NAG fordert:
- Paritätische Finanzierung der GKV wieder herstellen
- Abschaffung des Zusatzbeitrages (Kopfpauschale)
- Der Leistungskatalog muss wieder alles medizinisch Notwendige enthalten
- Verpflichtung der Unternehmen zu betrieblicher Gesundheitsförderung
Klaus Roth stellt dar, dass der Abschied aus der paritätischen Finanzierung der GKV viel dramatischer ist, als das gemeinhin wahrgenommen wird: „Die Belastungen für die Arbeitnehmer sind in den letzten Jahren immer weiter gestiegen. Heute zahlen sie 8,2 % Beitrag plus einen eventuellen Zusatzbeitrag, die Arbeitgeber nur 7,3 %. Auf der Seite der Arbeitnehmer kommen die Praxisgebühr, Zuzahlungen bei Arznei- und Hilfsmitteln, Zuzahlungen bei stationärer Behandlung und Kur, bei Zahnersatz und die komplette Bezahlung für Brillen hinzu. So zahlen sie heute 55 Milliarden € mehr für die Gesundheit als die Arbeitgeber.“ Dies diene allein der Steigerung der Gewinne. „Wir fordern die Wiederherstellung der Parität in der Finanzierung des Gesundheitswesens.“ Das sei der Weg, auf dem zusammen mit einem effektiven Einsatz der Mittel eine gute Versorgung Aller gewährleistet werden kann.
Außerdem müssten die Arbeitgeber zu einer betrieblichen Gesundheitsförderung verpflichtet werden. War früher die schwere körperliche Arbeit ein wesentlicher Grund für Erkrankungen, so haben veränderte Tätigkeiten inzwischen für die Ausbreitung anderer Krankheitsbilder gesorgt. Computerarbeit führt zu Krankheiten des Skeletts und der Muskulatur, andauernder Stress sorgt für immer mehr psychische Erkrankungen. Für die Beschäftigten geht es darum, viele dieser Krankheiten schon vor dem Ausbrechen zu verhindern. Das geht nur, indem die Arbeitsbedingungen den menschlichen Möglichkeiten angepasst statt der Kapitalverwertung unterworfen werden. Zusätzlich führt eine erfolgreiche Gesundheitsförderung zu einer Entlastung der Krankenkassen.
NAG gründet einen PKV-Ausschuss und lädt Interessierte zur Mitarbeit ein
„Selbstverständlich haben wir als Gewerkschaft der Versicherungsangestellten das Ziel, die Arbeitsplätze in den Versicherungsunternehmen zu erhalten. Aber auch der Erhalt und die Verbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung sind uns wichtig.“, sagt Waltraud Baier, Vorsitzende der NAG. Die meisten Beschäftigten auch in der Versicherungsbranche sind gesetzlich versichert. „Unsere Ziele zeigen aber, dass Beides sehr gut zusammen geht, während die Abschaffung der PKV zugunsten einer Bürgerversicherung nicht nur Arbeitsplätze vernichtet, sondern auch die gesundheitliche Versorgung der Beschäftigten verschlechtert.“
Gemeinsam mit Betriebsräten und Gewerkschaftsmitgliedern will die NAG einen PKV-Ausschuss etablieren, der diese Positionen weiter entwickelt und gegenüber der Branche, ihren Beschäftigten, der Politik und allen weiteren interessierten Kreisen die Interessen der NAG wahrnimmt.