Interview aus der Versicherungswirtschaft – 01/2011

In der Realität ist kaum Zeit für qualitative Beratung vorhanden"

Baier ist Vorsitzende der 2010 gegründeten Neuen Assekuranz Gewerkschaft

Versicherungswirtschaft: Frau Baier, aus welchem Grund hat sich im November 2010 die Neue Assekuranz Gewerkschaft NAG gegründet?
Waltraud Baier: Wir sind der Auffassung, dass die Interessen der Beschäftigten in der Versicherungswirtschaft bisher nicht ausreichend vertreten worden sind. Die Tarifpolitik von Verdi hat nicht die Ergebnisse gebracht, die die Beschäftigten verdient hätten. Auch die Einführung der Tarifgruppen A und B und Tarifverhandlungen, die hinter verschlossenen Türen stattfanden, haben uns dazu veranlasst, uns außerhalb von Verdi zu organisieren.

Interview der Versicherungswirtschaft mit Waltraud Baier zur Gründung der NAG

Die Fachzeitschrift "Versicherungswirtschaft" hat mit der Vorsitzenden der NAG ein Interview zur Gründung der NAG und vieler weiterer Themen geführt. Das Interview können Sie hier lesen . . .

Verdianer - NAG

ver.di – BG am Standort Hamburg

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Liebe Kolleginnen und Kollegen,

vor wenigen Tagen – am 18.11.2010 – wurde die „Neue Assekuranz Gewerkschaft“ gegründet. Auch Kolleginnen und Kollegen vom Standort Hamburg gehören zu den Gründungsmitgliedern der NAG. Für unseren Standort bedeutet das, dass zur ver.di-Betriebsgruppe ein zusätzliches gewerkschaftliches Gremium seine Arbeit aufnehmen wird. Zwei Gewerkschaften im Haus hat es schon mal gegeben. Vor rund 10 Jahren waren DAG und hbv in unserem Haus aktiv, bevor sie sich in der ver.di vereint haben.

Wie sieht die ver.di-Betriebsgruppe diese neue Konkurrenz?

Harald Herber - Leiter der ver.di-BetriebsgruppeBesonders beunruhigt wirkt Harald Herber, Leiter der ver.di-Betriebsgruppe, nicht: „Den Kolleginnen und Kollegen eine Alternative zu bieten, finde ich eine gute Sache. Ganz nach dem Motto: Konkurrenz belebt das Geschäft. Wir haben in der Versicherungsbranche eine sträflich hohe Anzahl an Beschäftigten, die gewerkschaftlich nicht organisiert sind. Selbstkritisch müssen wir feststellen, dass ver.di es nicht geschafft hat, diese Kolleginnen und Kollegen „einzufangen“. Vielleicht bietet nun die NAG eine Alternative, die für diesen Personenkreis interessant ist. Wenn das gelingen würde, wäre das super. Denn im Ergebnis geht es doch darum, möglichst alle Versicherungsangestellte gewerkschaftlich zu organisieren. Wenn wir einen möglichst hohen Organisationsgrad erreichen – und da ist es egal, ob in der ver.di oder in der NAG – dann können wir uns wirkungsvoll für die Interessen der Beschäftigten einsetzen. Ich freue mich auf die gemeinsame Arbeit.“

Und wie sieht das die NAG?

Klaus Vittozzi, Gründungs- und Vorstandsmitglied der NAGKlaus Vittozzi, Gründungs- und Vorstandsmitglied der NAG, sagt hierzu: „Genau so sehen wir das auch. Wir wollen ja nicht alle ver.di-Mitglieder abwerben oder die ver.di gar aus dem Haus drängen. Das ist absolut nicht unser Ziel. Ganz im Gegenteil. Uns ist an einer Zusammenarbeit gelegen. Wir reichen unseren Kolleginnen und Kollegen der ver.di die Hand für eine gemeinsame Arbeit. Vielleicht gelingt es uns sogar, zukünftig gemeinsame Aktionen zu organisieren und durchzuführen.

Wir haben eine gemeinsame Zielsetzung. Dennoch wollen wir natürlich für andere Inhalte stehen als die ver.di. Das ist doch klar. Aus unserer Sicht gibt es eine ganze Reihe an Themen, die heute nicht ausreichend inhaltlich behandelt werden oder zu denen wir eine andere Sichtweise haben. Man denke beispielsweise nur an die Einführung der Tarifgruppen A + B oder aber die Positionierung zur privaten Krankenversicherung, die im Ergebnis zu ihrer Abschaffung führt. Da wollen wir ran. Im Anschluss an unsere Mitgliederversammlung im April 2011 werden wir übrigens unsere bis dahin zu entwickelnden und dort zu beschließenden Inhalte auch veröffentlichen.

Wir glauben, dass wir als Spezialgewerkschaft der Versicherungsbranche – die es heute ja gar nicht gibt – ganz andere Möglichkeiten haben, die besonderen Belange in der Versicherungswelt aufzugreifen.“

Man hört in Verbindung mit der Gründung der NAG verschiedentlich den Vorwurf der Entsolidarisierung. Ist dem so?

„Nein, das ist Quatsch“, sagt Klaus Vittozzi. „Wir wollen uns nicht entsolidarisieren. Wir wollen den Menschen, die sich in der ver.di nicht zu Hause fühlen, eine gewerkschaftliche Alternative bieten, damit sie sich nicht entsolidarisieren müssen. Eine Monopol-Stellung birgt immer die Gefahr, dass die Menschen, die sich mit dieser einen Politik nicht identifizieren, quasi in der Luft hängen. Wir wollen also genau das Gegenteil erreichen.“

Liebe Kolleginnen und Kollegen, im Internet haben Sie die Möglichkeit, sich weiter über die Arbeit der beiden Gewerkschaften zu informieren. Zu ver.di finden Sie mehr unter www.verdi.de. Weitere Informationen zur NAG finden Sie auf der Seite www.Neue-Assekuranz-Gewerkschaft.de. Natürlich können Sie uns auch direkt ansprechen. Wir würden uns freuen.

Ihre ver.di-Betriebsgruppe und Ihre Vertreter der NAG

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V.i.S.d.P: Klaus Vittozzi, Neue Assekuranz Gewerkschaft

Die Neue Assekuranz Gewerkschaft (NAG)

18. November 2010:
Die Neue Assekuranz Gewerkschaft (NAG) wird als Spezialgewerkschaft für die Versicherungsbranche in Gießen gegründet

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

das Thema „berufsbezogene(re) Gewerkschaften“ wird zurzeit intensiv diskutiert. Nachdem Vereinigungen wie Cockpit, GdL oder der Marburger Bund erfolgreich für ihre Beschäftigten spezifische Tarif- und Branchenpolitik betreiben konnten, haben wir uns für die Versicherungswirtschaft ebenfalls zu einer Gewerkschaftsgründung entschlossen.

Wir sind der Meinung, dass es hierfür höchste Zeit ist!

Presseerklärung zur Gründung der Neuen Assekuranz Gewerkschaft (NAG)

Gießen, am 18.11.2010

Presseerklärung zur Gründung der Neuen Assekuranz Gewerkschaft (NAG)

Versicherungsangestellte organisieren sich neu

Bei den rund 225.000 Versicherungsangestellten ist die Unzufriedenheit mit den Arbeits- und Einkommensbedingungen in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Ursachen hierfür sind die Einführung von Niedriglohngruppen, lang laufende Tarifabschlüsse mit Reallohnabsenkungen und diverse Planungen der Arbeitgeber zum Abbau bzw. der Verlagerung von Arbeitsplätzen und zur Leistungsverdichtung. Die bislang eingeschränkten Möglichkeiten, sich hiergegen gewerkschaftlich zur Wehr zu setzen, hat engagierte Arbeitnehmervertreterinnen und –vertreter am 18. November in Gießen zur Gründung einer gewerkschaftlichen Alternative veranlasst.

„Beschäftigte der Versicherungsbranche, die sich heute in einer Gewerkschaft organisieren wollen, haben nur die Möglichkeit, einer Vereinigung beizutreten, die unter anderem für die Versicherungsbranche tätig ist“, sagt Waltraud Baier, einstimmig von den Gründungsmitgliedern
gewählte Vorstandsvorsitzende der Gewerkschaft. „Da sind sie immer eine Minderheit. Und dass Interessen von Minderheiten in einer Vereinigung nicht immer die Bedeutung haben, wie sie z.B. großen Beschäftigtengruppen zuteil werden, kann nach unserer Auffassung nicht als unrealistisch bezeichnet werden. Im Ergebnis fühlen sich viele Versicherungsangestellten zusehends schlechter vertreten.“

Sämtliche Gründer kommen unmittelbar aus der Versicherungswirtschaft. Neben Waltraud Baier, ehemaliges jahrelanges Mitglied in Aufsichtsratsgremien des Münchener Rück-Konzerns, sind unter anderem Bernd Schneider, Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats der Continentalen, Klaus Roth, ehemaliger Vorsitzender des Gesamtbetriebsrat der DKV und Marco Nörenberg, Vorsitzender des Konzernbetriebsrats der ERGO Versicherungsgruppe beteiligt.

„Die Arbeitgeber werden erkennen, dass ihnen einiges, was wir fordern, ebenfalls nützt“, sagt Klaus Roth, Mitglied des Gewerkschaftsrats. „Denn ein sehr wichtiges Ziel von uns ist die Sicherung der Arbeitsplätze. Dazu gehört aber nicht nur, statt um möglichst wenig Arbeitsplätze besser um einen guten Service zu konkurrieren, sondern dazu gehört auch, die Versicherungen vor den Angriffen aus der Politik zu schützen.“

Klaus Roth will sich, ebenso wie Bernd Schneider, in besonderer Weise für die Stärkung der privaten Krankenversicherung einsetzen. Außerdem, so sind sich alle Gründungsmitglieder einig, erfordern die immer komplexer werden Beratungserfordernisse der Versicherungsprodukte einen Ausbau und die Qualifizierung des angestellten Außendienstes.

Marco Nörenberg, Vorsitzender des Gewerkschaftsrats, stellt heraus, dass es sich beim Start um eine kleine Bewegung handelt, die wesentliche Positionen mit den Mitgliedern erst noch entwickeln will. „Wir sind eine Gewerkschaft, die sich noch im Aufbau befindet. Gemeinsam mit unseren Mitgliedern, also den Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben, wollen wir unsere Gewerkschaft gestalten. Wir werden unsere Mitgliederversammlung im April nächsten Jahres nutzen, um zu weiteren Festlegungen zu kommen“, so Marco Nörenberg.

Erstes Nahziel der neuen Gewerkschaft ist neben einem zügigen Mitgliederausbau die erfolgreiche Beteiligung an der Tarifrunde 2011.

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